Das erste Treffen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus fiel freundlich aus. Doch wie belastbar sind die transatlantischen Beziehungen? Ein Journalist sprach von der zerbrechenden Wertegemeinschaft mit den USA, eine Kollegin wies auf ein europafeindliches Papier aus dem US-Außenministerium hin.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Thomas Fritz auf die Debatte und den Auftritt der Gäste wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

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Das mit Spannung erwartete erste Treffen zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und US-Präsident Donald Trump war das dominierende Thema im ZDF-Talk von Maybrit Illner am Donnerstagabend. Was folgt daraus für die transatlantischen Beziehungen, den Ukraine-Krieg und die Aufrüstungsdebatte?

Die Gäste

  • Johann Wadephul: Der Bundesaußenminister (CDU) sah bei dem Treffen zwischen Merz und Trump im Weißen Haus "einen guten Auftakt". Es sei deutlich geworden, dass Trump Merz ernst nehme. Auch wegen des deutschen Bekenntnisses, künftig weit mehr in die Rüstung zu investieren: "Ich kann Herrn Putin nur warnen", sagte Wadephul. "Wir sind sehr konsequent. Bisher hat er immer die europäische Reaktion unterschätzt."
  • Wolfgang Ischinger: Der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz freute sich, dass Merz und Trump ein persönliches, belastbares Verhältnis entwickelt haben. Menschen, die das deutsche Verhältnis zu den USA und das Bekenntnis Washingtons zu den NATO-Verbündeten schon abgeschrieben haben, rief er zu: "So schlimm ist es nicht. Insoweit bin ich sehr erleichtert."
  • Adam Tooze: Dem Wirtschaftshistoriker von der Columbia University in New York bereitet die unklare Haltung der USA im Ukraine-Krieg Sorgen. Er stellte fest, "dass Amerika als Machtgefüge ungeheuer instabil geworden ist", die "Strukturen des Atlantizismus" würden sich auflösen.
  • Mariam Lau: "Die Zeit"-Journalistin war erleichtert, dass anders als bei Treffen mit anderen Staatsmännern in jüngster Vergangenheit "keinerlei Unterwerfungsgesten im Spiel waren", als sich der deutsche Kanzler und der US-Präsident bei einem Termin mit wenig inhaltlicher Substanz erstmals persönlich begegneten. "Merz ist nicht auf Knien ins Oval Office gerückt".
  • Elmar Theveßen: Der Leiter vom ZDF-Studio Washington warnte trotz des guten Termins vor der zerbrechenden Wertegemeinschaft mit den USA. Im US-Außenministerium sei ein "Office of Natural Rights" geschaffen worden, das überprüfen soll, inwieweit die europäischen Verbündeten dem amerikanischen Anspruch von Meinungsfreiheit gerecht werden. "Es wird mit Sicherheit eine Mission nach Deutschland geben, um zu untersuchen, wie das mit der AfD hier aussieht."

Das Wortgefecht des Abends

Mariam Lau glaubt, dass Trump "das kulturkämpferische Thema" gegenüber den Europäern im Grunde egal sei. Aber im State Department, dem US-Außenministerium, habe es kürzlich ein Memo gegeben, in dem gestanden habe: "Die europäischen Regierungen sind Feinde der westlichen Zivilisation, weil sie die freie Meinungsäußerung unterdrücken." Europa werde für die Amerikaner zum Feind, schloss Lau. Außenminister Wadephul widersprach energisch: "Nein!" Lau hielt dagegen: "Doch!"

Wadephul erklärte seine Position: "Frau Lau, dem möchte ich definitiv widersprechen, weil ich mich mehrfach mit (US-Außenminister – d. Red.) Marco Rubio unterhalten habe und ihn auch ein paar Jahre kenne. Das ist definitiv nicht seine Einstellung." Lau verwies auf den US-Vizepräsidenten und seine Pro-AfD-Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz: "Aber Vances." Wadephul blieb dabei: "Das ist im Ansatz nicht, in einem Halbsatz nicht in meinem Gespräch mit Marco Rubio aufgetaucht." Lau blieb ebenfalls hart: "Lesen Sie den Aufsatz, er kommt aus seinem Haus."

Die Offenbarung des Abends

Wolfgang Ischinger ist ein langjähriger Kenner des transatlantischen Verhältnisses. Und er kennt jene Streitthemen, die das Verhältnis schon immer belastet haben, aus dem Effeff. Etwa der geringe deutsche Beitrag für die Verteidigung in der NATO, auch spöttisch "deutsches Trittbrettfahren" genannt.

Das habe seit 20, 30 Jahren die deutsch-amerikanischen Beziehungen belastet, so Ischinger. Bis jetzt. "Zack, ist es weg, ganz toll", sagt Ischinger anerkennend zu Wadephul. Ein Moment, mit dem der Außenpolitik-Experte wohl selbst nicht mehr gerechnet hätte. Deutschland hat sich nun dazu bekannt, 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts direkt fürs Militär auszugeben, weitere 1,5 Prozent für die Ertüchtigung sicherheitsrelevanter Investitionen wie Straßen. Ischinger freut's.

Der Erkenntnisgewinn

Trotz des guten Auftakts zwischen Trump und Merz gibt es keinen Automatismus, dass sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen in den nächsten Jahren positiv entwickeln. Der Grund: Trumps Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit sowie die ideologischen Positionen einiger US-Regierungsmitglieder. Fazit von 60 Minuten Maybrit Illner: Das einst stabile transatlantische Verhältnis ist brüchiger geworden – in welche Richtung es sich entwickelt, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen.