Es war sein erster Auftritt im Bundestag nach der holprigen Kanzlerwahl: Am Mittwoch gab Friedrich Merz (CDU) seine erste Regierungserklärung ab und stellte sich der Kritik der Abgeordneten. Seine Rede und die anschließende Debatte in der Nachlese.

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Merz' Regierungserklärung im Ticker zum Nachlesen

15:57 Uhr: Was bleibt von Friedrich Merz‘ erster Regierungserklärung? Katharina Dröge (Grüne) hat Merz vorgeworfen, seine Rede sei nicht mehr als "längliches Vorlesen des Koalitionsvertrags" gewesen. Tatsächlich hat der Bundeskanzler heute inhaltlich nichts neues verkündet und konnte rhetorisch nicht punkten.

Sinn und Zweck einer Regierungserklärung ist jedoch in erster Linie, die großen Linien der eigenen Politik aufzuzeigen. Und mit der Aussage, "Politik mit Blick vor allem auf Chancen, nicht auf Risiken", machen zu wollen, hat Merz‘ zumindest formuliert, mit welcher Haltung er an seine zweifellos große Aufgabe herangehen will.

Zum Abschluss hat Merz versprochen, dass die Menschen schon im Sommer spüren sollen, dass es vorangeht im Land. Daran wird er sich messen lassen müssen.

15:39 Uhr: Je ein Vertreter der fünf Fraktionen im Bundestag hatte jetzt die Gelegenheit, zu Merz‘ erster Regierungserklärung Stellung zu nehmen. Ab sofort sprechen weitere Abgeordnete. Sie haben jedoch jeweils nur kurze Redezeiten. Viele Abgeordnete haben das Plenum bereits verlassen. Wir beenden den Liveticker.

Pellmann appelliert an Merz sozial gerecht zu handeln

15:27 Uhr: Die Koalition schweige zur "sozialen Krise in unserem Land", kritisiert Pellmann. Beispielsweise fehle im Koalitionsvertrag ein öffentliches Wohnungsbauprogramm. Das kurbele nicht nur die Wirtschaft an, sondern mache nebenbei auch noch Wohnen bezahlbar. "Es reicht nicht, über soziale Gerechtigkeit zu reden, sondern man muss auch sozial gerecht handeln." Dafür stehe die Linke.

15:22 Uhr: Jetzt ist Linken-Co-Fraktionschef Sören Pellmann an der Reihe. Er nennt die neue Regierungskoalition "tiefschwarz und blass rosa".

Spahn teilt gegen die Opposition aus

15:20 Uhr: Mit Blick auf die Wirtschaft sagt Spahn: Es sei "gut, dass mit Katherina Reiche die soziale Marktwirtschaft wieder ins Wirtschaftsministerium ein und grüner Staatsdirektismus ausgezogen" sei. Als eines von mehreren Zielen gab er aus: Einen Deutschen oder eine Deutsche auf den Mond. "Warum nicht gleich auf den Mars", tönt es von den Linken. Wen er da gerne hinschicken würde, wisse er schon, kontert Spahn – und man weiß nicht, ob er nach ganz links oder ganz rechts schielt.

15:14 Uhr: Spahn bezeichnet das schwarz-rote Bündnis als "Arbeitskoalition", die "zuversichtlich, nüchtern und pragmatisch" starte. "Wir wissen um die abwartende Skepsis in unserem Land", sagt Spahn. Er sehe einen "Auftrag" für die Regierung aus der Wahl vom Februar, aus der die AfD gestärkt hervorgegangen war. Dieser liege darin, auf Symboldebatten zu verzichten. "Das, was die AfD am meisten fürchtet, das, was das Land am meisten braucht, ist gute Politik", resümiert Spahn.

15:10 Uhr: Die "Verärgerung der Nachbarländer" angesichts der angekündigten Grenzkontrollen nehme man ernst, so Spahn. So weiterzumachen, wie bisher, kann aus seiner Sicht aber auch nicht die Lösung sein. "Die Migrationspolitik der vergangenen Jahre hat keine Mehrheit, in Deutschland nicht und in Europa auch nicht."

15:06 Uhr: Jens Spahn (CDU), Vorsitzender der Unionsfraktion, liest die Ereignisse der vergangenen Woche naturgemäß ganz anders: "Germany is back" – das sei die Botschaft, die von Merz‘ Wahl zum Kanzler ausgehe. Die Regierung trete an, um "Vertrauen wiederzugewinnen", um der AfD nicht noch mehr Wähler in die Arme zu treiben – was der Ampel nicht gelungen sei, wie er an Dröge gewandt anmerkt.

Dröge wirft Merz vor, zu wenig für den Klimaschutz zu tun

15:02 Uhr: Merz Rede kanzelt Dröge als "längliches Vorlesen des Koalitionsvertrags "ab. Auf zentrale Fragen habe Merz keine Antworten, so Dröge, etwa auf die Frage, wie die Klimaziele zu erreichen seien. Merz spreche ständig vom CO2-Preis, ohne dazu Stellung zu nehmen, wie hoch dieser sein solle. "Aber ohne steigenden CO2-Preis wird es keinen Klimaschutz geben."

14:59 Uhr: Dröge lobt Merz für seine Reisen nach Warschau, Paris und Kiew – um dann klar zu machen, dass das, was Merz in Polen verkündete, aus Grünen-Sicht komplett falsch war. Polens Ministerpräsident Donald Tusk verschärfte Grenzkontrollen im Alleingang anzukündigen, sei ein "vergiftetes Antrittsgeschenk" gewesen. Merz habe damit den europäischen Asylkompromiss quasi aufgekündigt, kritisert sie.

14:57 Uhr: "Die Politik, die Sie in den letzten Jahren gemacht haben, war an vielen Stellen eine Politik, die auch verbrannte Erde hinterlassen hat", sagte Dröge. Merz' Wahlkampf habe an zentralen Stellen auf Falschaussagen beruht. Sie erinnerte an die gemeinsame Abstimmung der Unionsfraktion mit der AfD beim Thema Migration. "Sie haben ihr Wort gebrochen hier im Deutschen Bundestag."

14:54 Uhr: Für die Grünen spricht die Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Die fehlende Mehrheit im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl sei eine "bittere Nachricht an das Land" gewesen, so Dröge. "Damit ist die Koalition deutlich instabiler, als es gut ist für unser Land und als ich es Ihnen gewünscht hätte", sagt sie an Merz gerichtet.

Miersch: "Deutschland kann vieles aus eigener Kraft, aber nicht alles"

14:49 Uhr: In einem Punkt widerspricht Miersch Merz entschieden: "Deutschland kann vieles aus eigener Kraft, aber nicht alles." Die Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu intensivieren, müsse im eigenen Interesse Leitplanke der Außenpolitik sein.

14:46 Uhr: SPD-Fraktionschef Miersch hat Bundeskanzler Merz eine konstruktive, aber auch kritische Zusammenarbeit zugesichert. In einer Koalition müsse man auch streiten, sagt Miersch. "Streit per se ist nichts Schlechtes und gehört zur Demokratie dazu. Aber es muss immer zielgerichtet sein, und das versichere ich Ihnen im Namen der SPD-Bundestagsfraktion."

14:43 Uhr: Für die SPD spricht der Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch. Er dankt Friedrich Merz für das Lob an Olaf Scholz und dafür, dass er die Wichtigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhalts betont hat. Und den Grünen dafür, dass sie die Reform der Schuldenbremse und das Sondervermögen Infrastruktur mit ihren Stimmen ermöglicht haben.

Weidel wirbt um Unionsabgeordnete

14:40 Uhr: "Wann kommt endlich der Bruch mit der linken Politik?", schließt Weidel. Wer aus der Union diesen wolle, wisse ja, "wo er die alternativen Mehrheiten findet".

14:37 Uhr: Weidel provoziert mit ihrer Rede jede Menge Zwischenrufe. Mit der Forderung, es müsse schleunigst Schluss sein mit der Energiewende. Indem sie von "Migrantenkriminalität" und "Einwanderung in die Sozialsysteme" spricht. Indem sie den "angeblichen Verfassungsschutz" diskreditiert, der die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hatte. Indem sie den anderen Parteien unterstellt, die Meinungsfreiheit abschaffen und mit Kriegsstimmung von anderen Problemen ablenken zu wollen.

14:24 Uhr: Die Aussprache beginnt. AfD-Chefin Alice Weidel hat das Wort – und haut sofort drauf. Sie nennt Merz einen "Kanzler der zweiten Wahl" und einen "Kanzler der Linken". Die Reaktion aus der Linksfraktion: lautes Lachen.

Merz verspricht spürbare Veränderung schon im Sommer

14:21 Uhr: Zum Abschluss sagt Merz: Er wolle Politik mit Blick vor allem auf Chancen machen, nicht auf Risiken. "Wir können alle Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigen. Es gibt kein Problem, das wir, jedenfalls auf Zeit, nicht gemeinsam lösen können." Merz: "Alles, was ich beitragen kann, will ich beitragen, mit ganzer Kraft. "Ziel seiner Regierung sei "kein ideologisches Großprojekt", sondern gutes Leben für alle. Schon im Sommer sollten die Bürger spüren, dass es vorangeht.

14:17 Uhr: Merz verspricht jungen Menschen, dass sich seine Regierung für deren Zukunft einsetzen werde. "Die neue Bundesregierung wird mit aller Kraft dafür arbeiten, dass wir einen neuen Generationenvertrag verwirklichen." "Wir wissen, dass wir angesichts der demografischen Entwicklung in dieser Wahlperiode ein Zeichen setzen müssen für eure Zukunft. Wir wissen, dass es eure Chancen sind, für die wir heute arbeiten."

14:13 Uhr: Sicherheit der Bürger im öffentlichen und digitalen Raum nennt Merz entscheidend. Die Polizei verdiene die beste Ausrüstung und besseren strafrechtlichen Schutz. Weder Angriffe gegen Sicherheits- und Rettungskräfte noch blinde Flecken in der Strafverfolgung dürfe es geben, schon gar nicht bei Antisemitismus: "Deutschland muss ein Schutzraum für Jüdinnen und Juden bleiben."

14:11 Uhr: Merz verteidigt den Migrationskurs der schwarz-roten Koalition. "Wir ordnen Migration – mit mehr Begrenzung, mehr Zurückweisungen, mehr Steuerung, mehr Rückführungen." Er betont zugleich: "Wir machen dabei keinen nationalen Alleingang" und "wir verhalten uns im Einklang mit europäischem Recht".

14:06 Uhr: "Ooo"; "Aaah"; "Ach ne". Bei den Linken wird es laut, als Merz bezahlbares Wohnen die "wichtigste soziale Frage unserer Zeit" nennt. Außer "bauen, bauen, bauen" nennt er kein Rezept gegen hohe Mieten und Baupreise. Themenwechsel.

14:00 Uhr: Von der Bürokratie kommt Merz schnell zum Klimawandel: "Weder uns noch dem Klima ist geholfen, wenn Unternehmen die Produktion wegen Bürokratie ins Ausland verlagern." Aber damit kein Missverständnis entstehe: "An den deutschen und europäischen Klimazielen halten wir fest." "Oho", tönt es aus den Reihen der Grünen.

13:54 Uhr: Die neuen Schulden könnten nur Wirkung zeigen, wenn sie von Reformen flankiert würden, sagt Merz: Bürokratieabbau; Behördengänge über zentrale Plattform, ohne Gang zum Amt; Gründungen vereinfachen – innerhalb von 24 Stunden soll man künftig ein Unternehmen auf die Beine stellen können. "Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut", fügt Merz an.

13:51 Uhr: Themenwechsel: Merz kommt auf die Notwendigkeit zu sprechen, die Wirtschaft anzukurbeln und auf das Sondervermögen für Infrastruktur. Mit der Möglichkeit, neue Schulden aufzunehmen, die sich die Regierung mit der Lockerung der Schuldenbremse und dem Sondervermögen geschaffen hat, sei "äußerst behutsam umzugehen", sagt Merz. "Diese Schulden lösen Zinszahlungen aus und müssen zurückgezahlt werden." Johlen im Saal. Merz weiter: "Sie sind deshalb nur zu rechtfertigen, wenn sie dem Land langfristigen nutzen."

Merz setzt auf eine starke Bundeswehr zur Verteidigung

13:42 Uhr: "Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen", sagt Merz. Die Bundeswehr müsse deshalb zur stärksten Armee Europas werden. Die Regierung wolle das erforderliche Geld bereitstellen. "Das ist dem bevölkerungsreichsten Land Europas angemessen und unsere Nachbarn erwarten das von uns."

13:39 Uhr: Merz bilanziert seine erste Woche im Amt: Applaus gibt es aus den Reihen von Union, SPD und Grünen, für den Hinweis, dass er gleich am ersten Amtstag nach Paris und dann nach Warschau gereist ist. Anschließen war Merz in Brüssel. Er habe Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen, dass "die Zeiten, in denen sich Deutschland bei wesentlichen EU-Entscheidungen enthält, vorbei sind". Auch Kiew hat Merz bereits besucht, um klarzumachen, dass Deutschland "allen Versuchen der Spaltung und Destabilisierung mit Entschiedenheit und vor allem mit Verteidigungsbereitschaft" entgegentreten werde.

13:31 Uhr: "Täuschen wir uns nicht über die Dimension der Aufgabe", sagt Merz mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Dessen Ausgang entscheide darüber, "ob auch künftig Recht und Gesetz gelten in Europa oder Tyrannei und das Recht des Stärkeren". Europa müsse beweisen, dass es eine "Werte- und Kulturgemeinschaft" sei, wie es der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl einst formuliert habe.

Work-Life-Balance ade: Merz verlangt "gewaltige Kraftanstrengung"

Work-Life-Balance ade: Merz verlangt "gewaltige Kraftanstrengung"

Mit der verpatzten ersten Runde bei der Kanzlerwahl hat Merz den Start in seine Amtszeit verstolpert. In seiner ersten Regierungserklärung wird er nun nach vorne schauen.

13:28 Uhr: Merz dankt seinem Vorgänger Olaf Scholz (SPD) für dessen Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit auffallend lobenden Worten. Scholz und dessen Ampel-Regierung habe Deutschland durch Zeiten außergewöhnlicher Krisen geführt, so der Bundeskanzler. "Ihre Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war wegweisend, und sie war historisch", ergänzte er an Scholz gewandt.

13:25 Uhr: Merz gibt zu Beginn ein übergeordnetes Ziel aus: In den kommenden vier Jahren gelte es, nicht nur Wohlstand, sondern auch Zusammenhalt zu stiften, "wo er uns verloren gegangen ist".

13:21 Uhr: Friedrich Merz hat das Wort und wird mit Applaus begrüßt.

Bundestag gedenkt Margot Friedländer

13:19 Uhr: Klöckner erinnert zunächst an die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die am Freitag im Alter von 103 Jahren verstorben war. Sie unterbricht die Sitzung "für einen Moment der Stille". Alle im Saal erheben sich.

13:13 Uhr: Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) beendet die Befragung. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) übernimmt – trotz hörbar angeschlagener Stimme.

13:04 Uhr: Merz und alle, die auf ihn warten, müssen sich gedulden. Die Befragung soll noch rund zehn Minuten dauern.

12:55 Uhr: Noch läuft die Befragung von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU). Während Presse- und Besuchertribüne prall gefüllt sind, ist in den Reihen der Abgeordneten noch Luft. Friedrich Merz soll um 13 Uhr starten. 45 Minuten sind für seine Rede angesetzt. Für die anschließende Aussprache zwei Stunden.

Die Ausgangslage

Vergangene Woche hat der Bundestag Friedrich Merz (CDU) zum neuen Bundeskanzler gewählt – allerdings erst im zweiten Wahlgang. Das gab es bis dato noch nie. Dass im ersten Wahlgang so viele Abgeordnete aus der neuen Regierungskoalition dem Kanzler die Gefolgschaft verweigert haben, ist kein gutes Omen für das Bündnis von Union und SPD.

Nach dem missglückten Start war Merz zunächst nach Paris und Warschau gereist, zu Antrittsbesuchen bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Polens Premier Donald Tusk. Zusammen mit Macron, Tusk und dem britischen Premierminister Keir Starmer war der Kanzler außerdem in Kiew, um die europäische Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine zu untermauern.

Am Mittwoch muss Merz zurück in die Löwengrube: In seiner ersten Regierungserklärung will er dem Bundestag seine politischen Pläne darlegen. Im Anschluss muss er sich den – sicher überwiegend kritischen – Fragen der Abgeordneten stellen.

Die Rede sei für Merz eine der wichtigsten in diesem Jahr, sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. "Er wird diesem Land wieder einen Plan geben und wird sozusagen eine Agenda 2030 vorstellen." Dabei gehe es um Steuern, Energiekosten und Bürokratieabbau, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Kann Friedrich Merz mit der Regierungserklärung seinen Holperstart wettmachen? (mcf/dpa)

Teaserbild: © IMAGO/Political-Moments